Ich kann Dir nur sagen, dass wir bei uns im Aktivstall zwei ähnliche Fälle hatten. Die Pferde waren unterschiedlich alt. Der eine war gut über 30, ich glaube 32, aber ein Großpferd. War kopfmäßig wach, aber zu einem Zeitpunkt X nahm er schrecklich ab und sah aus wie der Tod auf 4 Beinen. Er hat aber noch gefressen und sich ganz normal verhalten. Er hatte zwei sehr gute Freunde im Aktivstall, die auf ihn aufgepasst haben.
Hier haben auch so einige gesagt "es ist jetzt mal gut", aber die Besitzerin hat die gleichen Argumente gebracht wie Du: Er ist wach, er will begrüßt, gefüttert und geknuddelt werden, er läuft lahmfrei, er hat aufpasser. Klar, und es ist richtig, kaum jemand hat bisher ein Pferd so alt werden sehen und alte Pferde sehen nun mal nicht mehr so chic aus, gegen die anderen Pferde im Aktivstall war es schon krass zu sehen.
Ich war da zwiespältig, ich denke immer der Besitzer kennt sein Pferd am Besten und ich kann mir gut vorstellen, dass es wirlich weh tut wenn dann jeden Tag einer ungebeten seine Meinung äussert die immer in die Richtung geht "mach da mal Schluss". Sie hat immer gesagt, sie macht lieber 5 vor 12 Schluss, sobald sie merkt, er will nicht mehr, dann geht er.
Sie hat den Punkt verpasst. Eines Morgens lag auch er im Aktivstall und kam nicht mehr hoch. Ich glaube, für die Fluchttiere ist das eine ganz schlimmer Erfahrung.
Das andere Pferd war Mitte 20, hatte starke Athrose auf der einen Seite. Lag er auf der Seite, kam er nicht mehr hoch. Das Glück ist halt, dass der Aktivstall recht gut einsehbar ist und sehr oft Menschen da einen Blick hineinwerfen und lange Abends jemand da ist. Wir haben ihn dreimal gerettet indem er gedreht wurde mit der Longe über den Rücken, aber es jedesmal knapp. Vor zwei Wochen haben sie ihn morgens gefunden, er muss schon länger gelegen haben, war völlig fertig und es war bei aller Hilfe nichts zu machen, er kam nicht hoch. Der Besitzer hat ihn dann gehen lassen.
Was ich damit sagen will: Ich denke, von Deiner Beschreibung her ist es einfach 5 vor 12. Es geht noch, und ich kann verstehen, wie Du an dem Tier hängst. Aber Dein Vorteil ist auch: Es ist ein Tier. Es hat keine Pläne, es denkt nicht an morgen. Es fühlt im hier und jetzt. Noch ist es ok. Ich denke, ich würde ihr noch ein paar schöne Tage machen, dann einen Termin ausmachen, mich ausführlich verabschieden mit allem was sie mag und sie dann würdevoll gehen lassen. Sie hat ein schon fast biblisches Alter erreicht und vertraut Dir. Ich denke, es muss nicht heute oder morgen sein, aber ich denke, ich hätte mehr Probleme damit mir jeden Tag Gedanken machen zu müssen: Hat sie sich hingelegt? Kann sie heute noch aufstehen? Findet sie jemand schnell genug? Das wird Dich sehr belasten und so schlimm wie es ist: Die Zeit arbeitet jetzt gegen Euch ...
