Ententeich

Das große Geschnatter geht weiter!
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Ungelesener BeitragVerfasst: 28. Oktober 2012, 08:13 
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Ich dachte mir, da Halloween naht, schreibe ich Euch diese Mal mal keine Satire, sondern eine kleine Schauergeschichte. Irgendwie ist mir gerade nach den letzten Nebeltagen danach. Viel Spaß beim Lesen!

Sie holperte in ihrem kleinen Auto die mit Schlaglöchern übersäte Straße zum Stall hinunter.
Es war ungewöhnlich früh an diesem Herbstmorgen – die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen. Die Stallgbäude in der Talsenke lagen still und dunkelgrau vor ihr, als sie mit dem Auto auf dem großen Hof ankam. Sie stellte den Motor aus und rollte das letzte Stück lautlos vor die jetzt im Herbst noch leer stehenden Paddockboxen.

„Leise“, dachte sie, während sie aus dem Auto ausstieg „ich muss leise sein, sonst steigt mir der Bauer aufs Dach.“

Die offizielle Stallruhe, welche bis 08:00 Uhr morgens ging, zu ignorieren, war eigentlich nur aus wichtigen Gründen erlaubt. Ein krankes Pferd, welches Medikamente benötigte, wäre so ein Grund gewesen. - Aber ihr Grund war für sie mindestens genauso wichtig. Seit Wochen schon spukte ihr dieses Foto im Kopf herum. Und heute war der perfekte Tag, um es endlich zu schießen: Frühnebel lag schwer auf der herbstlichen Landschaft, die Luft war kalt und hatte eine Klarheit, wie es sie im Sommer nicht gab. Und die große Pferdeherde, in der auch ihr Pferd stand, war immer noch auf der riesigen Hang-Koppel direkt am Waldrand.

Sie lächelte bei dem Gedanken an das Foto in ihrem Kopf: Die Pferdeherde im Nebel eines Herbstmorgens. Schnell nahm sie ihre Fotoausrüstung aus dem Kofferraum und drückte die Heckklappe so leise wie möglich ins Schloss. Mit der geschulterten Kamera schlich sie sich vorbei an dem großen Offenstall, der im Winter wieder die Herde mit 16 Pferden beherbergen würde.
Hinter dem Stall stieg der Weg stark an – hinauf zur großen Weide am Waldrand. Das Gelände war steil, und bald ging ihr Atem stoßweise. Wieder einmal verfluchte sie im stillen, dass sie ihr Konditionstraining sträflich vernachlässigt hatte. Nach Luft ringend blieb sie vor dem Eingang der großen Weide stehen und löste die Stromlitzen, um hindurchzugehen.

Die große Weide lag nun taubedeckt im Morgengrauen vor ihr. Sie kniff die Augen zusammen, um nach den Pferden Ausschau zu halten. Der Morgennebel zog in dicken kalten Schwaden an ihr vorbei und ließ sie frösteln.

„Wahrscheinlich stehen sie wieder alle direkt oben am Waldrand unter den Bäumen und dösen...“, dachte sie, während sie ein Stückchen in diese Richtung ging. Und richtig – in etwa 50 Meter Entfernung konnte sie schemenhaft die ersten Umrisse der Herde erkennen. Sie kniete sich nieder und entfernte den Verschluss von ihrem Kameraobjektiv.
Im Sucher der Kamera konnte sie trotz des Nebels ein paar Pferde der Herde erkennen. Da war der Kopf von Bonnie, der alten Grande Dame der Herde. Und direkt neben ihr döste Chateau, der schwarze Trakehner, der in seiner Jugend so erfolgreich Springen gegangen war.

Der Auslöser der Kamera klackte unangenehm laut durch den stillen Morgen. Einige Pferde hatten bei dem Geräusch die Köpfe angehoben, nahmen sie aber nach einer Weile wieder herunter um weiter zu dösen.

Sie kontrollierte das Bild im Display ihrer Kamera.
„Noch etwa 20 Minuten, dann wird die Sonne so weit aufgegangen sein, dass ich genau die Lichtstimmung habe, die ich mir für das Bild wünsche...“ Sie kniete sich ins taunasse Gras, und schaute in Richtung der Pferdeherde, die immer noch still unter den Bäumen stand.

Ganz versunken in den friedvollen Anblick saß sie auf der Wiese, als plötzlich erneut ein Pferdekopf in die Höhe schoss. Ihm folgten mehrere weitere Köpfe.
Irritiert kniff sie die Augen zusammen, im vergeblichen Versuch durch die Nebelschwaden zu erkennen, was dort am Waldrand vor sich ging. Was hatten die Pferde gehört oder gewittert? Ein früher Wanderer? Ein Reh oder ein Wildschwein? Was es auch war, die Tiere waren sichtlich irritiert. Die Köpfe hoch erhoben blickten sie alle in eine Richtung. Sie hob ihre Kamera an, und zoomte auf die Pferde.
Die fuchsfarbene Leitstute konnte sie durch den Sucher halbwegs erkennen. Ihr Kopf war maximal erhoben, die Ohren in Richtung Waldrand gespitzt, die Nüstern gebläht. Die ganze Haltung drückte Spannung aus. Sie ließ die Kamera wieder sinken, frustriert vom Nebel, welcher erfolgreich verhinderte, dass sie irgendetwas, das hinter der Stute am Waldrand lag, richtig erkennen konnte.

Ein schnarrender Laut schallte durch die Luft; Ein Warnlaut.
Eines der Pferde hatte die Luft scharf durch die Nüstern eingesogen. Diesen Laut kannte sie gut von ihrem eigenen Pferd, das ihn immer dann von sich gab, wenn es sehr aufgeregt war.

„Was geht dort oben vor ?“, fragte sie sich halb amüsiert, halb beunruhigt. Sahen die Pferde mal wieder die buchstäblichen Gespenster hinter jedem Grashalm, oder stimmte tatsächlich etwas nicht?

Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als der Ruck durch die komplette Herde lief. Köpfe schossen in die Luft, schwere Leiber warfen sich herum. Fassungslos sah sie mit an, wie die Pferde in den gestreckten Galopp übergingen. Sie konnte das Donnern der Hufe unter ihren Füßen spüren. Die Pferde beschleunigten weiter. Dies hatte nichts mehr mit dem Renngalopp zu tun, den sie selber so gerne ritt. Hier war blanke Panik im Spiel, das wurde ihr klar. Die Pferde rasten an ihr vorbei. So nah, dass sie bei einigen das Weiße in den Augen zu sehen meinte. In einer wilden Stampede verschwanden sie bergab im Nebel. Sie konnte noch die Hufe auf das Gras trommeln hören, aber die Umrisse der Herde waren schon komplett verschluckt von den Schwaden.

„Was zum Teufel, war das??“ Sie drehte sich wieder Richtung Waldrand um und schaute angestrengt an die Stelle, an der die Pferde gerade noch dösend gestanden hatten.
War dort irgendetwas? Innerlich verfluchte sie ihre Kurzsichtigkeit und rückte die Brillengläser näher an ihre Augen heran. Ja, dort bewegten sich ganz leicht ein paar Farne... Sie kniff die Augen noch stärker zusammen.
War es der aufkommende Wind, der die Wedel schwanken ließ, oder bewegte sich dort tatsächlich irgend ein Tier im Schutz der Büsche?
Der Wind blies weitere Nebelschleier vor den Waldrand.
„Mist!“
Keine Chance herauszubekommen, was die Pferde so in Panik versetzt hat. - Oder doch? Sie hob die Kamera wieder ans Gesicht und versuchte, sie auf die Baumstämme am Waldrand scharf zu stellen. Vielleicht hätte sie so eine Chance, mehr zu sehen. Und wirklich – dort, wo sich zuvor die Farnwedel bewegt hatten, war Etwas. Mehr zu erahnen, als tatsächlich sichtbar.
Vorsichtig drehte sie am Zoomring, in der Hoffnung, ein deutlicheres Bild im Sucher zu sehen. Doch der Umriss verschwand aus dem Bild. Sie senkte die Kamera und suchte erneut den Waldrand mit ihren Blicken ab.
Dort! Etwa 5 Meter von der ersten Stelle entfernt, bewegten sich weitere Äste von niedrigen Büschen. Sie hob die Kamera wieder ans Auge.

Der Sucher zeigte ihr – was? Sie versuchte in Gedanken für das, was sie sah, eine Bezeichnung zu finden. Es war groß. Soviel war sicher. Trotz der geduckten Haltung, die die Gestalt angenommen hatte, konnte sie nun erkennen, dass es keinesfalls ein Reh oder ein Wildschwein war, wie sie es zunächst angenommen hatte.

Also ein Mensch!

In ihr kam Ärger auf. Sollte sich hier ein Wanderer einen Spaß machen und die Herde in Panik versetzt haben?!
Die ebenfalls aufblitzenden Gedanken, an den Pferdripper, der vor etlichen Monaten die Gegend heimgesucht hatte, schob sie ungehalten weg. Das war schon lange her, obwohl die Bilder der schwer verletzten oder getöteten Pferde noch immer eigenartig präsent vor ihrem inneren Auge standen. Lange Wunden quer über die Hinterflanken waren das „Markenzeichen“ des Rippers gewesen. „Wie ein Tier, dass seine Beute von hinten anfällt...“, dachte sie.

Unwillig schüttelte sie den Kopf und holte tief Luft, um die Bilder und Erinnerungen in ihrem Kopf loszuwerden. „Genug damit!“, befahl sie sich. Dies war ein schöner Herbstmorgen, und da hinten am Waldrand stand jemand, der es offensichtlich lustig fand, seinen Schabernack mit Pferden zu treiben. Ihrem Pferd, wenn man es so sehen wollte. Und das nahm sie durchaus persönlich. Sie presste entschlossen die Lippen aufeinander. Diesem Scherzkeks würde sie nun sehr deutlich erzählen, was sie von seinesgleichen hielt.

Sie senkte die Kamera und ging entschlossenen Schrittes auf die Stelle zu, an welcher sie die Gestalt im Sucher gesehen hatte.
Sie kam ungefähr 15 Meter weit, als der Umriss nach hinten trat, zurück in die Dunkelheit des Waldes. Verärgert blieb sie stehen. Da hatte er aber die Rechnung ohne sie gemacht! Mit der Kamera hatte sie jetzt, wo der Wind auffrischte und die Frühnebel langsam stiegen, eine reelle Chance, ihn wiederzufinden. Vielleicht konnte sie auch ein Foto machen und darüber herausfinden, wer der Unbekannte war, der soviel Spaß daran fand, Pferd zu erschrecken.

Sie blieb stehen. Der Waldrand war nun geschätzte 30 Meter entfernt. Sie hob die Kamera und scannte durch den Sucher erneut die Büsche ab.
Da!
Dort war er wieder. Sie drückte halb auf den Auslöser, um scharf zu stellen.
Das Objektiv rastete auf der Gestalt ein.
Sie sog die Luft ein. Mein Gott, er war riesig. Über 2 Meter. Mindestens. Er hatte sich von ihr weg gedreht. Krampfhaft versuchte sie Details zu erkennen. Der dunkle Umriss im Sucher drehte sich um. Geschmeidig. Raubtierhaft. Den Oberkörper geduckt. Irgendwie angriffslustig.

Ihr Atem beschleunigte sich. Die Kamera fing an, in ihren Händen zu tanzen und machte es unmöglich, noch etwas durch den Sucher zu erkennen. Also ließ sie sie sinken. Das Etwas am Waldrand begann sich auf sie zuzubewegen, soviel konnte sie allerdings auch mit bloßem Auge noch sehen.
Sie meinte, ein Geräusch zu hören. War das wirklich eine Art Knurren?

Die feinen Härchen in ihrem Genick stellten sich auf. In ihrem Inneren regte sich ein Instinkt.
Lauf, sagte er ihr. Lauf! Genau wie die Pferde vorhin.

Renn!

Sie warf sich herum. Die Kamera schwang um ihren Hals. Der Trageriemen schnitt ihr scharf in die weiche Haut an der Kehle. Rutschend und schlitternd rannte sie in den Hufspuren, die die Pferde auf ihrer panischen Flucht tief in die Grasnarbe getreten hatten, die Weide hinab.
Ein besonders tiefer Krater ließ sie straucheln. Schluchzend rutschte sie einige Meter weit auf dem taunassen Gras ins Tal, rappelte sich wieder auf, rannte wie von Sinnen weiter.
Dort! Da war der Eingang zur Weide. Sie schmiss sich auf die Knie und rutschte unter der Elektro-Litze her.

Ein Schlag traf sie an der Schulter.

Das Adrenalin ließ sie schneller als gewohnt auf die Beine kommen.
„Nur ein Stromschlag.“, sagte sie sich. Wahrscheinlich war sie mit der Schulter an die stromführende Litze gekommen. An eine andere Erklärung für den Schlag wollte sie nicht denken...

Oder hatte dieses Ding etwa doch ihre Verfolgung aufgenommen?
Sie rannte weiter. Nur nicht nachdenken. Bring Dich in Sicherheit, Mädchen.
Die Muskeln in ihren Beinen brannten vor Schmerz und Erschöpfung, als sie die ersten Hofgebäude vor sich sah. Doch sie lief erst langsamer, als sie um die Stallgebäude herum mitten auf dem Hof ankam. Sie sah sich um.

Nichts hinter ihr. Kein namenloser Umriss. Keine Gestalt die aus dem Nebel, der immer noch die Nebengebäude umgab, brach.

Ein Schluchzer der Erleichterung entrang sich ihrer Kehle. Sie drehte sich zurück. Dort, ganz in der Nähe ,vor der großen Scheune, sah sie den vertrauten Anblick des Bauern. Wie immer im karierten Hemd und mit seiner blauen Arbeitslatzhose bekleidet, ging er gerade von ihr weg auf das Stalltor zu. Wahrscheinlich, um den Pferden in den Boxen das erste Morgenheu zu geben.

Aufatmend ging sie auf ihn zu. Tippte ihm von hinten an die Schulter.
Er drehte sich um.

Das fahle Morgenlicht fiel auf Reißzähne, zu groß für einen menschlichen Mund.

Als die klauenbewehrte Hand vorschoß, um ihr die Kehle aus dem Hals zu reißen, drückte sie ein letztes mal auf den Auslöser der Kamera.

...

Während die Sonne den letzten Rest Frühnebel hob, klang das laute klappern einer über den Asphalt schleifenden Kamera über den Hof.

Und hätte ein zufälliger Passant den Mut gehabt, und doch ein wenig genauer hingeschaut, hätte dieser vielleicht sehen können, wie ein Bauer ein sorgfältig in den Misthaufen gegrabenes Loch mit Hilfe einer Mistgabel und dreckigem Stroh wieder verschloss.

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Ungelesener BeitragVerfasst: 28. Oktober 2012, 09:15 
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Uuuaaaaa, jetzt sehe ich das Verhalten unseres Bauern in einem ganz anderen Licht!

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:mrgreen:

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"Hunde kommen, wenn sie gerufen werden.
Katzen nehmen die Mitteilung zur Kenntnis und kommen gelegentlich darauf zurück."


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Ungelesener BeitragVerfasst: 28. Oktober 2012, 09:20 
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:alol:
Deine Satiren sind mir manchmal ein bisschen zu "gewollt" (sowas ist halt einfach Geschmackssache), aber die Geschichte finde ich richtig gut!!!
Ich fürchte nur, dass sämtliche Enten, die morgens schon mal in aller Herrgottsfrüh zum Pferd fahren, Dich nun für ihr schlimmes Kopfkino hassen werden! :mrgreen:

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Ungelesener BeitragVerfasst: 28. Oktober 2012, 19:57 
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Und ich hatte gerade eine wahnsinnige Gänsehaut....uaaaahhH!!!!

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Ungelesener BeitragVerfasst: 28. Oktober 2012, 22:42 
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Unheimlich!

Trotzdem musste ich bei der Vorstellung eines "Werbauern" doch grinsen...

LG

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Ungelesener BeitragVerfasst: 28. Oktober 2012, 22:59 
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Freut mich, wenn sich die Eine oder Andere beim nächsten nebligen Morgen (oder Abend) aufgrund dieser Geschichte am Stall verunsichert umschaut.. *kichert hexenhaft in sich rein* :-D Man weiß ja nie, was sich vor Halloween im Nebel herumtreibt, nech? Werbauern, Vampir-Bäuerinnen, Mumien-Reitlehrer, dämonische Stallhelfer, Zombie-Reitschülerinnen und und und...

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