Mmmh, diese ZDF-Dokumentationen habe ich auch gesehen und fand sie sehr spannend gemacht - aber mein Eindruck war leider, dass der Spannung zuliebe traurigerweise auf wissenschaftliche Seriösität verzichtet wurde und das (angebliche) Zusammenpassen von Märchen und historischen Fakten doch oft arg konstruiert wirkte.
Die Theorie, dass Märchen auf konkrete "Fälle" zurückgehen, ist ja auch nur eine von vielen, falls Dich das interessiert, google mal nach Bruno Bettelheim, Kinder brauchen Märchen.
Soweit ich weiß, finden sich bestimmte typische Märchenhandlungselemente auch in verschiedenen Kulturkreisen und Zeiten (z.B. in der antiken Literatur), einfach, weil sie menschliche Grunderfahrungen spiegeln. Das würde also eigentlich auch gegen diese Falltheorie sprechen.
Aber wirklich gut kenne ich mich da auch nicht aus, insofern lasse ich mich auch gerne eines besseren belehren - interessant ist das Thema nämlich auf jeden Fall!
Achso: Historiker werden sich mit sowas wohl tatsächlich eher nicht beschäftigen, wenn würdest Du sicher eher bei den Kultur- oder vielleicht auch Literaturwissenschaftlern fündig werden, aber wahrscheinlich auch nur, wenn das eben zufällig jemand zu seinem Steckenpferd gemacht hat.
Edit:
Bin jetzt neugierig geworden und habe im Online-Katalog unserer Unibibliothek geschaut - evtl. wäre das was, zumindest um weitere Literaturangaben zu finden:
Märchenforschung : Theorien, Methoden, Interpretationen / von Kathrin Pöge-Alder
Märchen, traditionelle Märchen oder ‚Volksmärchen' erfreuen sich schon immer großer Beliebtheit. Sie werden gehört, verfilmt, gelesen, interpretiert. Man findet sie in der Werbung, im Comic, im Film, in Fantasy- und Trivialliteratur und in der Satire. Dieses Studienbuch möchte dazu anleiten, sich näher mit Märchen zu beschäftigen. Märchen sind ein Teil der populären Literatur mit Sagen, Mythen, Legenden, Schwänken, Witzen und Rätseln. Märchenforschung ist damit ein Teil der Erzählforschung. Die ersten Fragen der Märchenforschung befassen sich bereits seit den Brüdern Grimm mit der Herkunft des internationalen Märchenschatzes. Warum gibt es so viele gleiche Märchen überall auf der Welt, bei allen Völkern? Die Antworten ermöglichen einen Einblick in die Wissenschaftspraxis und inspirieren zu eigenem Arbeiten. Erzählerpersönlichkeiten bereichern dabei die Überlieferung, denn ihr Erzählen in Vergangenheit und Gegenwart erhält unsere innere Bilderwelt. Zahlreiche Disziplinen beschäftigen sich seither mit diesen Bildern: Struktur- und Stilanalyse, Psychologie, Theologie und Pädagogik. Vorliegendes Studienbuch bündelt die wichtigsten Forschungsgebiete und Erkenntnisse und bietet so nicht nur eine übersichtliche Einführung in den internationalen Märchenschatz und die spannendsten Forschungsgebiete, sondern erlaubt gleichermaßen einen Blick in das menschliche Denken und Suchen.
Und nochmal edit: Literturhinweise
Aarne, Antti/Thompson, Stith: The Types of the Folktale, 1961 (s. Uther, The Types ...)
Bastian, Ulrike: Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm in der literaturpädagogischen Diskussion des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1981.
Bausinger, Hermann: Formen der "Volkspoesie". Berlin 1968 (2. Aufl. 1980).
Bausinger, Hermann: Märchen, Phantasie und Wirklichkeit. Frankfurt a. M. 1987.
Beit, Hedwig von: Symbolik des Märchens 1-3. Bern 1952-57 (4. Aufl. 1977).
Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen. München 1980 (dtv 1481).
Brackert, Helmut (ed.): Und wenn sie nicht gestorben sind... Perspektiven auf das Märchen. Frankfurt a.M. 1980.
Clausen-Stolzenburg, Maren: Märchen und mittelalterliche Literaturtradition. Heidelberg 1995.
Dinges, Ottilie/Born, Monika/Janning, Jürgen (edd.): Märchen in Erziehung und Unterricht. Kassel 1986.
Das selbstverständliche Wunder. Die Welt im Spiegel des Märchens. Mit Beiträgen von W. Solms u.a. Karlsruhe 1996.
Doderer, Klaus (ed.): Über Märchen für Kinder von heute. Essays zu ihrem Wandel und ihrer Funktion. Weinheim/Basel 1983.
Ellwanger, W./Grömminger, A.: Märchen - Erziehungshilfe oder Gefahr? Freiburg 1977.
Grätz, Manfred: Das Märchen in der deutschen Aufklärung. Vom Feenmärchen zum Volksmärchen. Stuttgart 1988.
Karlinger, Felix (ed.): Wege der Märchenforschung. Darmstadt 1973 (Wege der Forschung 255).
Karlinger, Felix: Geschichte des Märchens im deutschen Sprachraum. Darmstadt 1983 (2. Aufl. 1988).
Kellner, Beate: Grimms Mythen. Studien zum Mythosbegriff und seiner Anwendung in Jacob Grimms Deutscher Mythologie. Frankfurt am Main/Bern u. a. 1994.
Laiblin, W. (ed.): Märchenforschung und Tiefenpsychologie. Darmstadt [1969] 2. Aufl. 1972.
Lüthi, Max: Das europäische Volksmärchen. Form und Wesen. Bern 1947 (7. Aufl. 1981).
Lüthi, Max: Märchen. Stuttgart 1962 ( 8. Aufl. 1990, hrsg. von Heinz Rölleke).
Mieder, Wolfgang (ed.): Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen. Stuttgart 1979 (1995) (Reclams Universal-Bibliothek 9554).
Petzoldt, Leander: Dämonenfurcht und Gottvertrauen. Zur Geschichte und Erforschung unserer Volkssagen. Darmstadt 1989 (2. Aufl. u.d.T. Einführung in die Sagenforschung. Konstanz 1999).
Petzoldt, Leander (ed.): Vergleichende Sagenforschung. Darmstadt 1969.
Pöge-Alder, Kathrin: Märchen als mündlich tradierte Erzählungen des Volkes? Zur Wissenschaftsgeschichte der Entstehungs- und Verbreitungstheorien von Volksmärchen von den Brüdern Grimm bis zur Märchenforschung in der DDR. Frankfurt am Main u. a. 1994.
Propp, Vladimir: Morphologie des Märchens. ed. K. Eimermacher. Frankfurt/Main 1975.
Ranke, Kurt: Die Welt der Einfachen Formen. Berlin/New York 1978 (Aufsatzsammlung).
Rapunzel. Traditionen eines europäischen Märchenstoffes in Dichtung und Kunst. [Ausstellungskatalog] Kassel 1993.
Ritz, Hans (d.i. Ulrich Erckenbrecht): Die Geschichte vom Rotkäppchen. Ursprünge, Analysen, Parodien eines Märchens. Göttingen 1981 (13. Aufl. 2000).
Röhrich, Lutz: Erzählforschung. In: Brednich, R. W. (ed.): Grundriß der Volkskunde. Einführung in die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie. Berlin 21994, 421-448.
Röhrich, Lutz: Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart. Sagen, Märchen, Exempel und Schwänke mit einem Kommentar hrsg. 1-2. Bern/München 1962/67.
Röhrich, Lutz: Märchen und Wirklichkeit. Wiesbaden 1956 (5. Aufl. Baltmannsweiler 2001).
Röhrich, Lutz: Sage. Stuttgart 2. Aufl. 1971.
Röhrich, L.: "und weil sie nicht gestorben sind ...". Anthropologie, Kulturgeschichte und Deutung von Märchen. Köln/Weimar/Wien 2002.
Rölleke, Heinz: Die Märchen der Brüder Grimm. Eine Einführung. München/Zürich 31992.
Röth, Diether/Kahn, Walter: Märchen und Märchenforschung in Europa. Frankfurt a.M. 1993.
Rötzer, Hans Gerd (ed.): Märchen. Bamberg 1981 (u.ö.) (Themen - Texte - Interpretationen).
Sahr, Michael: Um der Kinder und der Märchen willen! Analysen und didaktische Vorschläge zu acht Grimmschen Märchen in originaler und veränderter Form. Kallmünz 1995.
Schenda, Rudolf: Von Mund zu Ohr. Bausteine einer Kulturgeschichte volkstümlichen Erzählens in Europa. Göttingen 1993.
Schmidt, Leopold: Die Volkserzählung. Märchen, Sage, Legende, Schwank. Berlin 1963.
Schödel, Siegfried (ed.): Märchenanalysen. Stuttgart 1977 (Reclam-Universalbibliothek 9532).
Solms, Wilhelm (in Verbindung mit Charlotte Oberfeld) (ed.): Das selbstverständliche Wunder. Marburg 1996.
Uther, Hans-Jörg (ed.): Märchen in unserer Zeit. München 1990.
Uther, Hans-Jörg: The Types of International Folktales. A Classification and Bibliography, Based on the System of Antti Aarne and Stith Thompson (FFC 284/285/286). Helsinki 2004.
Wardetzky, K.: Märchen-Lesarten von Kindern. Bern u.a. 1992.
Zipes, Jack: Psychologische Märcheninterpretation. Eine Einführung. München 1986.